- Deutscher Moto2-Pilot: Einlenkverhalten, Gefühl und Präzision sind entscheidend
- Zuschauer sorgen für außergewöhnliche Stimmung am Sachsenring
- Top 10 als Ziel für den LIQUI MOLY Motorrad Grand Prix Deutschland
Hohenstein-Ernstthal. Der deutsche Moto2-Pilot Lukas Tulovic startet in diesem Jahr in der Motorrad-Weltmeisterschaft. Vor dem LIQUI MOLY Motorrad Grand Prix Deutschland spricht der 23-Jährige aus Eberbach über seine Erinnerungen an eine der größten Einzelsportveranstaltungen des Landes, sein zweites Jahr als Stammfahrer in der mittleren Klasse und die Herausforderungen, die der Sachsenring für Motorrad-Rennfahrer bereithält.
Der MotoGP-Event in Deutschland findet zum 25. in Folge auf dem neuen Sachsenring statt. Was zeichnet ihn im Vergleich zu anderen Rennstrecken hierzulande aus?
Tulovic: „Das Jubiläum hatte ich gar nicht auf dem Schirm, aber es macht den Motorrad Grand Prix Deutschland in diesem Jahr natürlich noch besonderer. Ich freue mich riesig auf das ganze Wochenende. Die Atmosphäre, die Strecke und die Fans sind einzigartig. Es gibt tolle Rennstrecken in Deutschland, aber die Atmosphäre und die vielen Zuschauer machen den Sachsenring so besonders. Das ist der richtige Ort für den Motorrad Grand Prix Deutschland.
Was macht den Sachsenring als Strecke zu einer Herausforderung? Worauf kommt es als Fahrer an?
Tulovic: „Man muss sehr präzise fahren, ein gutes Gefühl haben und die richtige Linie finden. Auch das richtige Timing ist wichtig, wann man in die Kurve einfährt und wann man das Motorrad am Ausgang wieder aufrichtet. Man verbringt sehr viel Zeit in Schräglage. Deshalb sind ein gutes Einlenkverhalten, ein gutes Gefühl auf dem Motorrad und eine präzise Linienwahl sehr wichtig. Viele Fahrer bezeichnen den Sachsenring als Kartstrecke, aber genau das ist das Interessante: Es ist eine außergewöhnliche Strecke, die aus dem Kalender heraussticht und für die Zuschauer super ist. Die blinden Kurven sind cool als Fahrer, auch die schnellen Linkskurven, der „Wasserfall“ runter und die letzten zwei, drei Kurven. Das ist wirklich ein Wahnsinnsgefühl, wenn man mit Vollgas durch die schnelle Rechtskurve schießt und dann den Berg runter. Mir macht die Strecke unheimlich viel Spaß.“
Die Stimmung am Sachsenring ist jedes Jahr einzigartig, im vergangenen Jahr stellte der Motorrad Grand Prix Deutschland mit 232.202 Zuschauern einen neuen Besucherrekord auf. Kannst du die Atmosphäre an der Strecke beschreiben und wie pusht dich das als Fahrer?
Tulovic: „Ich habe den Sachsenring schon aus vielen Perspektiven erlebt. Ich war als Fahrer im ADAC Junior Cup im Rahmenprogramm unterwegs, habe als Zuschauer auf dem Ankerberg gefeiert und bin dort 2019 in der Moto2-Klasse auch schon einen Grand Prix gefahren. Ich kenne also alle Perspektiven. Es ist einfach toll, wie die Leute dort das Wochenende verbringen. Tagsüber schauen sie sich die Rennen an, abends sitzen sie zusammen und feiern. Die Menschenmassen sind einfach außergewöhnlich. Als deutscher Fahrer vor so vielen Zuschauern zu Hause zu fahren sorgt für eine echte Gänsehaut. Ich freue mich einfach so darauf und hoffe, dass ich den Rückenwind durch die Fans nutzen kann und das als Extra-Motivation nehme.“
Du hast bereits deinen ersten WM-Einsatz auf dem Sachsenring 2019 erwähnt. Welche Erinnerungen hast du an das damalige Rennwochenende?
Tulovic: „Es war ein schwieriges Jahr. Ich hatte das ganze Jahr über mit dem Motorrad und dem Gefühl für das Motorrad zu kämpfen. Dementsprechend konnte ich das Wochenende damals nicht so genießen, weil ich nicht konkurrenzfähig war und nicht ganz vorn mitfahren konnte. Aber das ganze Drumherum mit der Fahrerpräsentation in der Karthalle, Autogrammstunden, Track Walk, Pit Lane Walk und all den Leuten, die dich kennen und Fotos und Autogramme wollten, das war schon sehr außergewöhnlich in der Menge. Aber 2019 war das ein bisschen getrübt durch die Performance.“
Nach der Saison 2019 warst du einige Jahre in der MotoE und der Moto2-Europameisterschaft unterwegs, jetzt bist du zurück auf der großen WM-Bühne. Wie sehr hast du dich im Vergleich zu damals weiterentwickelt, fahrerisch und menschlich?
Tulovic: „Ich habe an allen Schrauben gedreht und gearbeitet. Ich habe mein gesamtes Management umgestellt und bin noch professioneller geworden, auf der Strecke, in der Vorbereitung auf das Rennwochenende und im Training. Ich habe viel an mir gearbeitet und vieles angepasst und verbessert. Das sieht man schon an meinen Leistungen in der Europameisterschaft im vergangenen Jahr. 2023 hat zwar wegen meiner Verletzung nicht so begonnen wie erhofft, aber in den letzten Rennen ging es deutlich bergauf, und das Ziel ist natürlich, in dieser Saison so weiterzumachen und immer näher an die Spitze heranzukommen. Dafür habe ich das Team, das Motorrad und das Umfeld, das ich brauche, um meine volle Leistung abrufen zu können.“
Stichwort Aufwärtstrend: In Le Mans warst du als Elfter im Rennen schon ganz nah dran an den Top 10. Glaubst du, dass das auf dem Sachsenring ein realistisches Ziel für dich ist?
Tulovic: „Auf jeden Fall. Das ist mein Ziel für den Sachsenring und die nächsten Rennen. In Le Mans waren wir nah dran. Der Speed war da, aber ein kleiner Fehler hat mir die Chance genommen, Sergio Garcia, Ai Ogura oder Fermin Aldeguer anzugreifen. Es fehlt nicht viel, und wenn wir so weiterarbeiten, sind die Top 10 nur eine Frage der Zeit. Auf dem Sachsenring und bei allen weiteren Rennen ist es mein Ziel, ins Q2 zu kommen und dann im Rennen in die Top 10 zu fahren.“